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Amtspflicht der Gerichte: Verzicht auf persönliche Anhörung zur Frage der Scheidung nur in Ausnahmefall

Zur Frage, ob die Voraussetzungen der Scheidung vorliegen, sollen – so der Gesetzeswortlaut – die Ehegatten persönlich erscheinen und angehört werden. Doch heißt “sollen” in diesem Zusammenhang “müssen”? Diese Frage kann in einem Scheidungsverfahren relevant werden – in diesem Fall war es am Oberlandesgericht Oldenburg (OLG), hierauf eine Antwort zu finden.

Das Gericht hat im Hinblick auf die Frage, ob die Ehe zerrüttet und zu scheiden ist, eine sogenannte Amtspflicht. Der Richter muss sich also einen eigenen Eindruck machen.

Deshalb ist vor einer Scheidung die persönliche Anhörung der Ehegatten im Termin nicht nur wünschenswert, sondern Pflicht. Wohnt ein Ehegatte zwischenzeitlich weit entfernt, kann er vor einem anderen Gericht angehört werden. Jedoch auch dies immer noch persönlich. Nur ausnahmsweise kann davon abgewichen werden.

Persönliche Anhörung als Bestandteil des Scheidungsverfahrens

Im vorliegenden Fall beantragte der Mann Mitte 2016 die Scheidung nach Trennung Mitte 2015. Über die finanziellen Folgen verhandelten die Ehegatten, weshalb die Scheidung erst auf Oktober 2019 terminiert wurde. Aufgrund der Krebserkrankung des Mannes musste nochmals auf Januar 2020 verlegt werden. Der Mann ließ dem Gericht mitteilen (auch mit einer eigenen handschriftlichen Erklärung), er könne wegen seiner Erkrankung zu keinem Gerichtstermin persönlich erscheinen, da er körperlich einfach nicht mehr in der Lage sei. Er wollte aber dennoch geschieden werden. Die Frau, die selbst nicht mehr geschieden werden wollte, glaubte dem nicht und bestand auf einer persönlichen Anhörung des Mannes. Doch auf Antrag des Bevollmächtigten ihres Mannes und gegen den der Frau erfolgte die Scheidung ohne persönliche Anhörung des Mannes.

Entscheidung in II. Instanz

Das OLG bestätigte die Entscheidung in zweiter Instanz. Neben dem Umstand der persönlichen handschriftlichen Erklärung des Mannes stellte der Senat darauf ab, dass die Ehegatten zwischenzeitlich mehr als drei Jahre getrennt lebten und somit nach dem Gesetz unwiderleglich das Scheitern der Ehe vermutet wird.

Hinweis: Der Fall ist besonders! Er zeigt aber auch, dass die persönliche Anhörung der Ehegatten für die Scheidung fast immer stattzufinden hat und eine Scheidung ohne Anhörung die absolute Ausnahme ist.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.05.2020 – 13 UF 20/20

Fundstelle: www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de

Es wird darauf hingewiesen, dass gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich Einzelfallentscheidungen sind und nicht ohne weiteres auf vergleichbare /ähnliche Sachverhalte übertragen werden können, da auch diese vom zuständigen Gericht als Einzelfall beurteilt werden müssen. Ob das dargestellte Urteil auch auf Sie anwendbar ist, können wir gern in einem persönlichen Gespräch erörtern.

 

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