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Urkundenprozess erweist sich bei ausstehenden Zahlungen aufgrund der Pandemiefolgen als ungeeignet

Gewerbemieterin quasi wehrlos

Wie so oft, ist auch vor Gericht die Wahl der Mittel entscheidend, um gut gerüstet in juristische Verfahren zu gehen. Dass sich diese Wahl bereits auf die Art des gewählten Prozesswegs bezieht, zeigt der folgende Fall, der sich vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) auf die Gewerberaummiete während des ersten Lockdowns 2020 bezog. Hier wählte die klagende Vermieterin nur augenscheinlich clever.

Die Gewerbemieterin zahlte ihre Gewerberaummiete für ein Geschäft in Bad Homburg für die Monate April, Mai und Juni 2020 während des ersten Lockdowns nicht. Aufgrund einer Coronaverordnung war die Nutzung der Räume nur sehr eingeschränkt möglich, so dass die Umsätze einbrachen. Die Vermieterin ließ jedoch nicht mit sich reden und klagte in einem sogenannten Urkundenprozess unter Vorlage des Mietvertrags die ausstehenden Beträge ein. Ein grundsätzlich sehr einfaches Verfahren für die Vermieterseite.

Ausbleibender Erfolg im Urkundenprozess

Dieses Verfahren brachte das OLG in eine Art Zwickmühle. Denn in dem hier gewählten Urkundenverfahren konnte das Gericht nicht feststellen, dass die Mieterin wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags die Herabsetzung des Mietzinses verlangen dürfe. Diese Einwendung ist nämlich in der gewählten Prozessform schlicht und ergreifend unstatthaft. Denn ein solcher Beweis kann eben nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln (Urkunden) geführt werden.

Dass sich aber die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags durch die Folgen der COVID-19-Pandemie schwerwiegend geändert hat, kann als Einwand jedoch erst in einem sogenannten Nachverfahren eingebracht werden. Daher war das OLG von Rechts wegen quasi gezwungen, die Mieterin zur Zahlung der vertraglich geschuldeten Miete weiterhin in vollem Umfang zu verurteilen. Und prompt wurde zum noch nicht rechtskräftigen Urteil die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Denn jedem sollte klar sein, dass Naturkatastrophen wie die Coronapandemie schwerwiegende Argumente darstellen können, die eine statische Urkunde nicht einfach abwehren können sollte.

Hinweis: Es zeigt sich wieder einmal, dass dieses sogenannte Urkundenverfahren zwar schnell für den Vermieter zu einem Urteil führt, den Rechtsstreit insgesamt aber nicht schneller beendet. Der Gesetzgeber hat im Gewerberaummietrecht auch bereits reagiert. Bei Schließungen von Geschäften im Jahr 2021 können Vertragsanpassungen und damit auch Mietreduzierungen möglich sein.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.03.2021 – 2 U 143/20

Fundstelle: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de

Es wird darauf hingewiesen, dass gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich Einzelfallentscheidungen sind und nicht ohne weiteres auf vergleichbare /ähnliche Sachverhalte übertragen werden können, da auch diese vom zuständigen Gericht als Einzelfall beurteilt werden müssen. Ob das dargestellte Urteil auch auf Sie anwendbar ist, können wir gern in einem persönlichen Gespräch erörtern.

 

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